Alraune (Mandragora officinarum L.)
WALA Arzneimittel
Alraune - Mandragora officinarum L.

Alraune

Synonyme: Alruneken, Arun, Dollwurz, Erdmännlein, Galgenmännchen, lraun, Mandragora, Menschenwurzel, Oraunl, Satansapfel, Springwurz, Uraundl, Wurzelknecht, Zauberwurzel
Wissenschaftlicher Name: Mandragora officinarum L.
Familie: Solanaceae (Nachtschattengewächse)
Heimat: Orient
Inhaltsstoffe: 0,3-0,4 % Alkaloide, vor allem Atropin, Hyoscyamin, Scopolamin, Cuscohygrin, Apoatropin.

Beschreibung

Schwer dem Boden verhaftet, etwas derb wirkend, trägt sie einen Namen, der an raunende Märchen erinnert: die Alraune. Die stängellose Blattrosette der mehrjährigen Pflanze besteht aus bis zu 50 cm langen Blättern, die wie runzeliger Mangold aussehen und dicht über der Erde wachsen. Aus ihrem Zentrum spriessen ab dem vierten Jahr von März bis Mai dicht gedrängt weisslich-grüne glockenförmige, fünfzipfelige Blüten. Im Frühsommer reifen aus ihnen etwa pflaumengrosse gelb bis gelb-orangene, kugelige Früchte (Beeren), die auf dem Boden liegen und mit ihrem Aussehen die Verwandtschaft zur Tomate verraten. Wenn die Früchte beginnen zu reifen, vergilben die Blätter. Bis zur vollen Fruchtreife ist die Blattrosette komplett zurückgebildet. Die Wurzel kann bis zu einem Meter lang werden. Sie ist knollig, tief gespalten und mit kräftigen Seitenwurzeln versehen. Die Alraune liebt trockene, sonnige bis halbschattige Standorte auf leichtem Sandboden.

Verwendung

Die alkaloidhaltige Alraune ist stark giftig. Die Anwendung dieser potenten Arzneipflanze gehört deshalb allein in erfahrene Hände!

Die Homöopathie nutzt potenzierte Zubereitungen der frischen Alraunenblätter gegen Verdauungsbeschwerden und Kopfschmerzen, der getrockneten Wurzel gegen Kopfschmerz, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Verdauungsschwäche bei Leber-Galle-Störungen und Ischiasschmerz. Die Anthroposophische Medizin behandelt mit potenzierten Auszügen aus der Wurzel rheumatische Beschwerden. Die Volksheilkunde setzt die Wurzel bei Magengeschwüren, Koliken, Dysmenorrhoe, Asthma, Heufieber und Keuchhusten ein. Lange fand die Alraune als Narkotikum und schmerzstillendes Mittel Anwendung.

ACHTUNG:

Nochmals zur Warnung sei erwähnt, dass die Alraune stark giftig ist. Unkundiger Einsatz der Pflanze in konzentrierter Form kann zu Herzrasen, Schüttelfrost, Fieber, extremer Nervosität, Halluzinationen, schwerem Durchfall und in Einzelfällen zum Tod durch Atemstillstand führen!

Wissenswertes

Der Gattungsname Mandragora setzt sich nach einigen Vermutungen aus dem griechischen mandra = Hütte, vermutlich Schäferhütte im Gebirge und agora = Versammlung zusammen. Offenbar wuchs die Pflanze oft in der Nähe von Hütten. Nach anderen Aussagen leitet sich der Name dieser bereits vor der griechischen Zeit genutzten Pflanze aus dem persischen Mardum-giâ = Menschenkraut ab oder vom assyrischen Nam-Tar-Gir(a) = Männliche Pflanze des Gottes der Plagen. Der deutsche Name Alraune, altgermanisch Alruna, setzt sich aus Alb = Mahr, Faun und runen = leise sprechen, heimlich flüstern oder runa = Geheimnis zusammen und drückt bereits die ganze Sagenwelt aus, die sich um diese Pflanze rankt.

Die Alraune ist eine der altbewährtesten Heilpflanzen. Bereits das aus dem 16. Jahrhundert v.Chr. stammende ägyptische Papyrus Ebers, eine der ältesten bekannten Aufzeichnungen über Arzneimittel und Behandlungen verschiedener Krankheiten erwähnte sie als dja-dja. Sie ist zudem das sagenumwobene Hexenkraut schlechthin. Um keine Pflanze ranken sich so viele Legenden. Die Form der Wurzel gab dazu Anlass: Ihre Zweiteiligkeit erinnert stark an eine Menschengestalt, wobei man weibliche und männliche Wurzeln unterschied. Aus der Wurzel geschnitzte Firguren waren sorgfältig gepflegte Glücksbringer, die gegen bösen Zauber und Verwundungen schützen sollten und zu ihnen gelegte Geldmünzen verdoppelten.

Die Alraunwurzel wurde in teure Stoffe gekleidet, in mit Samt und Seide ausgeschlagenen Kästchen aufbewahrt und jede Woche in Wein gebadet. Starb der Amulettbesitzer, vererbte er den Alraun an seinen Sohn, der dafür ein Stück Brot und ein Geldstück in den Sarg des Vaters legen musste. Eine grosse Begehrlichkeit dieses Wurzelamulettes ab dem 16./17. Jahrhundert löste einen regen Handel mit Imitaten aus anderen Wurzeln aus. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts bot das Berliner Kaufhaus Wertheim so genannte Glücksalraune an, die aus Wurzeln von Allermannsharnisch (Allium victorialis) geschnitzt waren.

Im Alten Testament ist die Alraune mit dem Namen Dudaim als empfängnisfördernde Pflanze erwähnt. Aphrodisierende Eigenschaften sprach das antike Griechenland der Alraune zu. Es weihte die Früchte als Liebesäpfel der Göttin Aphrodite, die den Beinamen Mandragoritis trug. Die Wurzel war Bestandteil von Liebestränken. Den Liebesapfel kannte auch der deutsche Kulturkreis. Dort hiess es, wenn eine Frau am St.-Agnes-Abend (21. Januar) einem Mann die Alraunenfrucht überreiche, verliebe er sich in die Überbringerin. Man sprach der Alraune zusätzlich potenzsteigernde Eigenschaften zu und setzte sie zur Geburtshilfe ein. Der arabische Kulturkreis empfand die angeblich von der Alraune geweckte Begierde als böse und bezeichnete deshalb ihre Früchte als Satansfrucht oder Teufelsäpfel.

Übrigens berichteten immer wieder Menschen, sie hätten ein Leuchten wahrgenommen, das von den Alraunenfrüchten ausgehe und erloschen wäre, sobald sie sich genähert hätten. Bis heute findet sich keine biologische Erklärung für diese Beobachtung, die wohl eher zu den Geschichten aus dem Reich der Alraunenlegenden gehört.

Die Pflanze anders betrachtet

„Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,
Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen,
Ein fingerlanges Greisengeschlecht,
Woher sie stammen, man weiss es nicht recht.“
Heinrich Heine

Diese Beschreibung Heinrich Heines trifft das Wesen der Alraune, die aus dem erdverhafteten Gnomenreich zu kommen scheint. Nur einen kurzen Zeitraum des Jahres steckt sie ihren grünen Blätterschopf knapp über die Erdoberfläche, der so alt wirkt mit seiner runzligen Haut. Sie blüht mit kurzstieligen, weisslich-grünen Blüten, die so gar nichts Blütenhaftes zu haben scheinen. So wurzelnah wachsend, schicken sie dafür einen Teil ihres Blütenwesens in die Wurzel, die einen süsslich-narkotischen Duft verströmt. Auch die Früchte bleiben schwer auf der Erde liegen. Ihr schwefliger Geruch und ihre gelb-orangene Farbe setzen einen stoffwechselintensiven Gegenpol zur erdkühlen Pflanze. Im zeitigen Sommer bleiben allein die Früchte über der Erde sichtbar. Denn kaum sind sie reif, ziehen sich die Alraunenblätter wieder komplett in die mächtige Wurzel zurück.