Spitzwegerich
Synonyme: Aderkraut, Heufressa, Lungenblatt, Ripplichrut, Rossrippe, Spiesskraut, Spitzfederich, Spitz-Wegeblatt, Wegetritt
Wissenschaftlicher Name: Plantago lanceolata L.
Familie: Plantaginaceae (Wegerichgewächse)
Heimat: ganz Europa, seltenere Vorkommen in Nord- und Mittelasien, Nord- und Südafrika sowie Neuseeland und Australien
Inhaltsstoffe: Schleim, Bitterstoffe, Flavonoide, Kieselsäure, das Glykosid Aucubin, antibiotisch wirkende Stoffe.
Beschreibung
Wie häufig der Spitzwegerich den Weg säumt, fällt uns nur selten auf. Mit seiner unscheinbaren Blüte, die eher an eine auf langem Stängel ruhende Grasähre erinnert, aus der kleine Blütchen mit zierlichen Staubgefässen lugen, geht er im bunten Wiesenallerlei fast unter. Dabei bildet er am Boden eine grosse Rosette aus den namengebenden spitz zulaufenden Blättern. Auffällig ist, dass diese 20 bis 40 cm langen Blätter nicht wie bei anderen Pflanzen mit einem ästigen Muster, sondern rein mit Längsadern gezeichnet ist. Ein Charakteristikum, das sonst hauptsächlich bei Gräsern zu finden ist. So imitiert der Spitzwegerich geradezu zweifach die Grassorten, mit denen er Seite an Seite in den Wiesen wohnt. Die Blüten zieren diese mehrjährige Pflanze, die sich überall auf trockenen Wiesen, Feldern, Schuttplätzen und Wegrändern wohl fühlt, von Mai bis September.
Verwendung
Bereits in der Antike wurde der Spitzwegerich geschätzt: Plinius der Ältere berichtete über seine heilsame Wirkung bei starkem Husten sowie bei Schüttelfrost. Im Mittelalter wurde er bei Brandwunden, Geschwüren, Augen- und Nasenentzündungen sowie Hundebissen eingesetzt. Kneipp verwendete ihn zur Blutstillung und Wundbehandlung.
Verwendet werden seine Blätter, die man für Tee trocknet, oder aus denen ein frischer Saft gepresst wird. Spitzwegerich ist wegen seines Schleimgehalts, der tonisierenden Bitterstoffe und der Kieselsäure ein ausgezeichneter Hustensaft. Die antibiotische Wirkung unterstützt seinen erfolgreichen Einsatz bei fiebrigen Lungen- und Bronchialleiden. Seine Wirkung als Hustensaft war bis vor nicht allzu langer Zeit so sprichwörtlich, dass der Ausdruck Spitzwegerich-Saft ein Name für Hustensäfte allgemein war.
In der Volksmedizin findet der Saft seinen Platz bei Frühjahrskuren zur Blutreinigung, verdünnt mit Kamillentee wird er zur Behandlung schlecht heilender Wunden eingesetzt. Auf frische Verletzungen werden auch direkt frisch gepflückte Blätter gelegt, die einfach zerquetscht werden. Bei Insektenstichen lindern zerdrückte Spitzwegerichblätter den Juckreiz und die Schwellung. Auf Wanderungen kann man sich so sein Notpflaster aus der Wiese pflücken.
Wissenswertes
Die Endung -rich stand im Indogermanischen für Herrscher, Fürst. Wegerich heisst also Herrscher des Weges. Der lateinische Name, abgeleitet von lateinisch planta = Fusssohle weist ebenfalls auf diese wegbegleitende Pflanze.
Spitzwegerichsamen werden im feuchten Zustand klebrig. Sie bleiben so an Füssen Darüberlaufender hängen und werden weit verbreitet. Wohl auch deshalb ist der Spitzwegerich fast überall zu finden. Von den weissen Siedlern wurde er wohl auf diese Weise nach Amerika eingeschleppt, weshalb er dort von den indigenen Völker auch Fusstritt des weissen Mannes genannt wurde.
Und warum steht der Spitzwegerich immer am Wegesrand? In einer Legende heisst es, ein junges Mädchen habe am Strassenrand vergeblich auf ihren Geliebten gewartet, schliesslich habe sie sich in einen Wegerich verwandelt. Daher kommt auch der Volksname Strassenbraut. Die alten Germanen wussten eine andere Erklärung: Für sie verkörperte der Wegerich die wieder aus der Unterwelt ans Licht getretenen Seelen, die nun den Menschen auf der Erde nachfolgten. Und auch die alten Griechen und Römer sahen diese Pflanze mit der Unterwelt verbunden: mit Orkus und seiner Tochter Proserpina.
Die hochgeschätzte Heilpflanze wurde in früheren Zeiten auch als Nahrungsmittel eingesetzt. Und auch heute sind frische junge Spitzwegerichblätter eine würzige und gesunde Beigabe zu Salaten, Quark und Weichkäse. Die Blätter schmecken vor der Blüte der Pflanze am besten und lassen sich auch gut zu Wildgemüse und Suppen verarbeiten.
Der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg hat 2014 den Spitzwegerich zur Arzneipflanze des Jahres ernannt.
Die Pflanze anders betrachtet
Auf zweifache Weise begibt sich der Spitzwegerich in fremde Rollen. Auf den ersten Blick vermeint man ein Gras zu sehen, dessen ährige, duftlose Blüte auch tatsächlich wie bei allen Gräsern vom Wind bestäubt wird. Bei näherer Betrachtung könnte man in der ganzen Pflanze aber auch eine grosse grüne Blüte sehen: Direkt über dem Boden bildet sich bei älteren Pflanzen eine Art Knolle, Speichergewebe, aus dem erst die länglichen Blätter wachsen, die direkt an der Knolle gelblich-rötlich gefärbt sind. Im Querschnitt sieht dies wie ein Blütenboden aus, dem die Blütenblätter entwachsen. Die Blätter sind zudem der Teil der Pflanze, die durch ihren süssen Duft betören, sobald man sie zerkleinert.
Spitzwegerich als Blattblüte spricht so gezielt Entzündungen im Bronchialbereich an: Blätter und Bronchien stehen beide in der Mitte der Pflanze bzw. des Menschen und korrespondieren dadurch. Blüten sprechen dagegen die Stoffwechselvorgänge im Menschen an und können so helfen, übermässige Stoffwechselprozesse wie Entzündungen zu regulieren.