Wegwarte
Synonyme: Hindlauf, Rattenwurz, Sonnenbraut, Sonnenwirbel, Wegeleuchte, Zichorie
Wissenschaftlicher Name: Cichorium intybus L.
Familie: Asteraceae (Korbblütengewächse)
Heimat: Europa und Vorderasien bis zum Iran, Afrika, Amerika, Australien, Neuseeland.
Inhaltsstoffe: Bitterstoffe, Kaffeesäurederivate, Flavonoide, Hydroxycumarine, Inulin und Pentosane.
Beschreibung
Wer die Wegwarte bei bewölktem Himmel oder am Nachmittag sucht, kann sie leicht übersehen. War in den sonnigen Stunden der Weg noch von den leuchtend blauen Blüten gesäumt, so stehen an trüben Tagen und am Nachmittag eventuell nur noch die kantigen, hohlen, rau behaarten Stängel. Sie werden zwar bis zu einem Meter hoch, die sparrig wachsenden Stängel sind aber mit so unscheinbaren Blättern versehen, dass sich die ganze Pflanze dem Betrachter fast entzieht. Nur am Boden breiten sich die Blätter in einer Rosette aus und erinnern dort in ihrer Form an ihren Verwandten, den Löwenzahn. Und wo sind die Blüten geblieben? Die Wegwarte öffnet ihre strahlend blauen, manchmal rosa oder weissen Blüten von Juli bis September nur am Vormittag und nur im Sonnenschein und dreht ihre Köpfe nach der Sonne. Die Blüten blühen nur einen Tag lang und schliessen sich dann so eng, dass sie wie Verlängerungen der Stängelspitzen wirken. Sicheres Erkennungszeichen der Wegwarte ist der bittere Milchsaft, der die ganze Pflanze durchzieht.
Die Wegwarte, die sich mit einer spindelförmig wachsenden langen Wurzel in der Erde verankert, liebt schwere lehmige Böden und findet sich an Wegrändern und Böschungen, auf Brach- und Ödland.
Verwendung
Die Wurzel der Wegwarte ist ein die Verdauung anregendes und kräftigendes Bittermittel. Sie hilft bei Appetitlosigkeit, Reizmagen, Galle- und Leberstörungen. Verdauungsstörungen und Hautunreinheiten gehen oft Hand in Hand. Innerlich als so genannter Kinderkaffee oder äusserlich in Form von Waschungen unterstützt die Wegwarte deshalb die Behandlung unreiner Haut.
Wissenswertes
In vorkeltischer Zeit war die Wegwarte eine hochverehrte heilige Pflanze, die als pflanzliche Verkörperung der Vegetationsgöttin, der Tochter von Mutter Erde, galt. Der Sonnengott, Sohn des hohen Himmels, war ihr Gemahl. Mit ihren blauen Augen hielt die Wegwarte ständig Ausschau nach ihrem Geliebten und drehte sich nach ihm. Die Griechen sahen es ähnlich. Für sie war die Wegwarte die verschwundene Nymphe Clythie, die Geliebte von Phöbus, dem strahlenden Sonnengott.
Die Wegwarte galt als Sinnbild der treuen Liebe, die oft mit vergeblichem Warten verbunden war. Viele Märchen und Sagen greifen dieses Motiv auf und machen die Wegwarte zur verzauberten Jungfrau, die lieber ihr Leben als Blümchen am Wegesrand fristet, anstatt den Geliebten aufzugeben, der in den Kreuzzug nach Jerusalem geritten ist. Junge Mädchen pflückten Knospen der Wegwarte und steckten sie an ihr Mieder. Öffnete sich die Blüte, so verhiess dies, dass der ersehnte Jüngling sicher komme. Etwas komplizierter war das Prozedere, am St. Peterstag (29. Juni) eine Wegwarte mit einem Hirschgeweih auszugraben. Ein Stück Hirschhorn musste es sein, weil die Wegwarte nur von Sonnengleichen berührt werden durfte. Der Hirsch symbolisiert den Sonnengott in Tiergestalt. Berührte man mit der solcherlei ausgegrabenen Pflanze die auserwählte Person, musste sie in Liebe zu einem entbrennen.
Den seltenen weissen Wegwartenblüten sagte man grosse Zauberkräfte nach. Ihre Wurzel sollte vor allen Gefahren und Verletzungen schützen und den Träger unsichtbar machen. Unter das Leinentuch einer Schwangeren gelegt, sollten die weissen Blüten die Geburt erleichtern, pulverisiert in das Essen des Gemahls gemischt, sollte dieser vor Fehltritten gefeit sein. Die christliche Mythologie ordnete die Wegwarte den galligen bitteren Kräutern zu, die die Passion Christi symbolisierten.
Die nur zwischen fünf und elf Uhr blühende Wegwarte nahm Carl von Linné (1707-1778) mit in seine Blütenuhr auf, die er im botanischen Garten von Uppsala anlegen liess. Bemerkenswert ist, dass diese Rhythmik in Westeuropa heutzutage gestört ist, eventuell durch elektromagnetische Störfelder. In sehr ländlichen Gegenden, zum Beispiel in Südeuropa, lässt sich dieser Sonnenbezug hingegen noch gut beobachten.
Aus der Wurzel der auch Zichorie genannten Wegwarte lässt sich ein Ersatzkaffee herstellen, der so genannte Zichorienkaffee, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Verbreitung fand und gerne zum Strecken des damals übermässig teuren Bohnenkaffees verwendet wurde. Der in Salaten köstlich schmeckende Chicorée ist eine Kulturform der Wegwarte. Im Winter wird sie in Räumen abgedeckt ausgetrieben. Durch den Lichtmangel sind die Sprosse nur leicht grün und weniger bitter.