Amethyst aus Brasilien
WALA Arzneimittel

Amethyst aus Brasilien: ein Beschaffungskrimi

Dies ist keine Heile-Welt-Geschichte. Es geht um Wirtschaftsinteressen, Kriminalität und Menschenrechte. Es geht aber auch um das zähe Ringen, in einem schwierigen Umfeld moralisch integer, sozial nachhaltig und trotzdem zielorientiert zu handeln. Eine Geschichte rund um die Beschaffung der mineralischen Ausgangssubstanz Amethyst – mit aktuell noch offenem Ende.

Dilemma in der Rohstoffbeschaffung

«Die Zustände beim Mineralienabbau sind weltweit grauenhaft», berichtet Benjamin Wörz, Rohstoffeinkäufer bei der WALA Tochter naturamus. „Sie sind geprägt von Schmuggel, Kriminalität und Verstössen gegen die Menschenrechte.» Kein kleines Problem für die WALA, die sich seit jeher für ein wertebasiertes Miteinander einsetzt. «In der Beschaffung haben wir eiserne Grundsätze und Qualitätskriterien», erläutert Benjamin Wörz. «Aber wie sollen wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden in einem Umfeld, das sich so instabil und undurchsichtig gestaltet?» Zwar gibt es auch im Bereich von Mineralien, Gold und Edelsteinen Verbündete wie den Fair Trade Minerals & Gems e. V. – aber kein Angebot an fair produziertem und gehandeltem Amethyst. Der Rohstoffeinkäufer und seine Kolleg:innen mussten umdenken.

Die Beschaffung der Mineralien ist im Gegensatz zu pflanzlichen Ausgangssubstanzen eine echte Herausforderung.

Amethyst als Bestandteil von WALA Arzneimitteln

Für ihre Arzneimittel verwendet die WALA verschiedene Wirksubstanzen aus allen drei Naturreichen: pflanzliche, tierische und mineralische Stoffe. Die pflanzlichen und die tierischen Substanzen stammen in der Regel aus etablierten Lieferketten wie dem eigenen Heilpflanzengarten oder biologisch-dynamischer Landwirtschaft. Die WALA bezieht sie auch von langjährigen Partnern oder aus kontrollierter Wildsammlung.

Die Siegel der Anbauverbände und selbst aufgebaute Handelsbeziehungen garantieren beste Rohstoffqualität sowie ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Bei Mineralien hingegen liegen die Dinge anders – ihre Beschaffung ist eine echte Herausforderung. Amethyst kommt als Bestandteil einer Arzneimittelkomposition gegen verschiedene Hauterkrankungen zum Einsatz, unter anderem gegen Akne.

Wie wir Qualität definieren

«Stoffliche Qualität können wir per Laboranalyse prüfen und abbilden», sagt Benjamin Wörz. «Doch wir achten auch auf weitere Qualitäten. Zum Beispiel darauf, dass alle, die an einem Rohstoff oder Endprodukt beteiligt sind, fair und gut behandelt werden!» Konkret bedeutet das: angemessener Verdienst, Arbeitsschutz, keine Zwangs- oder Kinderarbeit – kurz: die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.1 «Beim Mineral Amethyst interessieren wir uns auch dafür, wie mit dem Rohstoff umgegangen wurde», so der Einkäufer.

Wurden abgebrochene Spitzen wieder eingeklebt, wurde die Druse zum Schutz vor Bruch mit Beton ummantelt? «Es geht also um Prozessqualität. Wir brauchen Transparenz und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette.» Bei einer Druse handelt es sich um ein eiförmiges Gebilde mit einer Aussenschicht aus Chalcedon, in deren Innerem sich die Kristalle gebildet haben.

1https://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang--de/index.htm

Wir brauchen Transparenz und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette.

Transparenz bei Herkunft und Abbau

«Amethyst kaufen wir bereits seit Jahren von einem kleinen Händler, der uns hochwertige Ware liefert», berichtet Benjamin Wörz. «Ich bekomme zwar immer die gewünschte Menge zum gewünschten Zeitpunkt. Doch er importiert nicht selbst und weiss teilweise nicht, woher die Ware kommt und wie sie abgebaut wurde.» Die benötigten Mengen seien ein weiterer Grund, parallel nach einem neuen Lieferweg zu suchen: «Von anderen Mineralien braucht die WALA nur wenige Gramm pro Jahr. Beim Amethyst sind es rund 30 Kilo.»

Reise nach Brasilien und Vor-Ort-Recherche

Und so nutzten Benjamin Wörz und Ralf Kunert, Geschäftsführer der naturamus GmbH, einen ohnehin geplanten Lieferantenbesuch in Südamerika zur Recherche in Sachen Amethyst. Martin Rozumek von der WALA Grundlagenforschung hatte zuvor über einen Bekannten Kontakt zum Betreiber eines kleinen Mineralienmuseums einer anthroposophischen Initiative vor Ort hergestellt. Gemeinsam mit ihm besuchte naturamus im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul sowohl Händler als auch Exporteure, Verarbeiter und sogar die Amethyst-Minen. Immer mit der Frage im Kopf: Können wir eine eigene Lieferkette aufbauen, die unseren Beschaffungsgrundsätzen entspricht?

Auf dem Foto ist Benjamin Wörz von naturamus (l.) in einem Minenschacht zu sehen, der vorschriftsmässig mit Frischluftrohren ausgestattet ist. Foto: naturamus GmbH

Für die Arzneimittelproduktion bevorzugt die WALA intakte Drusen, die erst im Herstellungsbereich der WALA in Bad Boll professionell geknackt werden.

Kooperative sorgt für Standards

Benjamin Wörz erinnert sich: «Schliesslich entdeckten wir die Kooperative Coogamai. Sie arbeitet vor Ort mit rund 200 Minen zusammen. Interessant ist, dass sie nicht im operativ-kaufmännischen Bereich tätig ist und daher keine Wirtschaftsinteressen vertritt – ein riesiger Pluspunkt!» Vielmehr stellt Coogamai die für den Export benötigten Dokumente aus, bescheinigt den legalen Mineralienabbau sowie die Herkunft der Steine, den Namen der Mine und des Betreibers. Ausserdem dient sie als Schnittstelle zu staatlichen Einrichtungen.

Pro Druse verdient Coogamai einen kleinen Anteil. Dieser genügt, um die fünf medizinischen Mitarbeiter der Kooperative und den Geologen zu bezahlen, der sich unter anderem um die Renaturierung von Geröllhaufen kümmert, die ausserhalb der Minen entstehen.

Arbeitsschutz und medizinische Versorgung

Coogamai ist aber auch ein medizinisches Zentrum für die Arbeiter der kooperierenden Minen. Für sie gibt es zweimal im Jahr einen kostenlosen Gesundheitscheck, um unter anderem einer Staublunge vorzubeugen. Die Kooperative stellt aber auch Regeln für den Minenbetrieb auf: Der Betreiber muss Sicherheitsstiefel, Atemschutzmasken und professionelles Werkzeug wie Pressluftbohrer mit Wasserzufuhr zur Verfügung stellen, für Frischluft sorgen und die Stromleitungen sichern. Dieses Engagement kommt nicht von ungefähr: Der Gründer der Kooperative war in seiner Jugend selbst Minenarbeiter, «garimpeiro» genannt.

Auch er holte Amethyste aus dem Berg. Schon seit den 1990er-Jahren baut er aufgrund seiner Erfahrungen aus der Praxis gewisse Standards auf. Was dem Wohl der Minenarbeiter dienen sollte, war für ihn persönlich mit hohem Risiko verbunden. Wenige Monate nach Gründung der Initiative überlebte der Gründer schwer verletzt einen Mordanschlag – das konnte ihn aber nicht langfristig ausbremsen.

Wenn viele Unternehmen kleine Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und Verantwortung tun – wie anders könnte unsere Welt dann morgen aussehen?

Erforderliche Abnahmemenge zu hoch für die WALA

An dieser Stelle könnte unsere Geschichte ein Happy End finden. Doch Benjamin Wörz ist frustriert: «Bisher scheitern wir mit unserem Vorhaben noch am Mengenproblem. Es gibt nämlich eine wirtschaftlich definierte Mindestabnahme für den Export. Wir müssten Steine im Wert von 10 000 US-Dollar kaufen. Dies entspricht einem Vorrat für viele Jahre. Den könnte die WALA einerseits gar nicht schnell genug aufbrauchen. Andererseits gingen in der Zeit bis zur nächsten Bestellung unsere persönlichen Kontakte wieder verloren. Eine solche Handelsbeziehung lebt vom Austausch und von der Regelmässigkeit.»

Ein Jahr nach dem Besuch der Coogamai-Kooperative in Brasilien gelang es naturamus jedoch, einen kleinen Exporteur zur finden, der bereit war, ihnen geringere Mengen zu verkaufen. «Wir stellten natürlich die Bedingung, dass er unsere Mineralien aus Minen der Kooperative beziehen möge», unterstreicht Benjamin Wörz.

Die richtigen Menschen miteinander verbinden

Doch auch an diesem Punkt ist naturamus noch nicht am Ziel. «Wir wünschen uns auf lange Sicht einen deutschen oder europäischen Importeur, den wir dauerhaft mit der Kooperative Coogamai verbinden können», hofft Benjamin Wörz. «Amethyst ist ja nur einer von rund 300 Rohstoffen, die wir betreuen. Ja, wir haben hohe Ansprüche und lassen nicht locker. Aber irgendwann muss Routine einkehren – damit unser Aufwand im Alltag machbar bleibt.»

Und die Moral von der Geschichte? Benjamin Wörz lächelt: «Wir vertreten mit unserem Tun eine bestimmte Denkweise. Global betrachtet ist das vielleicht ein kleiner Beitrag. Aber wenn viele Unternehmen kleine Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und Verantwortung tun – wie anders könnte unsere Welt dann morgen aussehen?»

Amethyst kommt als mineralischer Bestandteil einer Arzneimittelkomposition gegen verschiedene Hauterkrankungen zum Einsatz, unter anderem gegen Akne.

Amethyst im Kurzporträt

In ihrem «Buch von den Steinen» beschrieb die heilkundige Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) den Gebrauch von Amethyst als Heilstein, unter anderem bei Hautunreinheiten. In der modernen Steinheilkunde kommen viele weitere körperliche und seelische Indikationen in Betracht. Für die anthroposophische Medizin hat Dr. Rudolf Hauschka, Gründer der WALA, in seiner «Substanzlehre» ebenfalls einen Bezug des Amethystes zur Haut entwickelt. Schon die Merowinger schätzten den Stein als Schmuck, wie frühgeschichtliche Grabfunde belegen. Amethyst ist eine violette Variante des Minerals Quarz. Seine Farbe reicht von sehr hellem, leicht rosafarbenem bis hin zu sehr dunklem Violett.

Der Name leitet sich ab vom griechischen Wort «amethystos», das „dem Rausche entgegenwirkend“ bedeutet. Dies weist auf den alten Glauben hin, dass jemand, der Amethyst bei sich trägt, oder der Besitzer eines entsprechenden Bechers gegen die Wirkung von Alkohol immun sei. Amethyst ist weltweit verbreitet, besonders in hydrothermalen Gängen und Hohlräumen vulkanischen Gesteins. Grössere Vorkommen gibt es in Südamerika (Brasilien und Uruguay), aber auch in Afrika, Russland, Madagaskar, Mexiko, Namibia und auf Sri Lanka. Verkauft werden vielfach «Amethyst-Drusen» – eiförmige Gebilde mit einer Aussenschicht aus Chalcedon, in deren Inneren sich die Kristalle gebildet haben. Die schönsten Drusen stammen aus Brasilien. Sie können mehrere Meter hoch und tonnenschwer sein.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amethyst
https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/MineralData?lang=de&mineral=Amethyst

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